Es soll ja Menschen geben, den Verfasser dieser
Zeilen eingeschlossen, denen Johann Sebastian Bach nicht als Maß aller
musikalischen Dinge gilt. Er ist ihnen häufig zu akademisch, zu gelehrt, zu
wenig sinnlich, ein Attribut, das man seinem Widerpart aus Halle, Georg
Friedrich Händel, umso bereitwilliger zugesteht. Bei der Johannes - Passion des
Thomaskantors kommt hinzu, dass das qualitative Gefälle zwischen der Sprache des
Evangelisten und den Versen, die der Ratsherr Brockes dem Komponisten
eingebrockt hat, erheblich ist.
Und doch fesselt uns diese Passion, wie zuvor
schon Musiker wie Robert Schumann und Albert Schweitzer, weil es Bach gelingt,
nicht nur dieses sprachliche Wirrwarr musikalisch zu adeln, sondern eben auch,
weil er - Gott sei Dank ! - die akademischen Pfade oft genug zugunsten seiner
individuellen Emotion verlässt !
Dies tut er ganz besonders bei den Chören,
die immens gefordert sind, sowohl, was die Vielzahl der Einsätze, als auch, was
die enorme Bandbreite des Ausdrucks betrifft, vom strengen, kontemplativen
Choral bis zum aufgewühlten, aufwühlendem " Kreuzige ! ".
Wer sich im Vorfeld
die bange Frage nach möglicher Überforderung der Damen und Herren von Vitus
& Caecilia gestellt haben mag, wurde - wieder einmal - eines Besseren
belehrt. Kleinere Defizite in Intonation und rhythmischer Präzision wurden durch
ein unglaubliches Engagement sowie durch physische und psychische Kondition mehr
als wett gemacht !
Was dieser Chor begeisterungsfähiger, begeisterter,
begeisternder Amateure jährlich von Neuem auf die Beine stellt, grenzt ans
Wunderbare.
Der im Umgang mit den Sängerinnen und Sängern so überaus
geschickte und kompetente Urheber dieses Zaubers ist seit Jahren " Maestro "
Andreas Winckler, der immer wieder alle Beteiligten mitzureißen weiß, auch das
Orchester, in dem sich zudem Holzbläser und Streicher mit delikaten Soli
profilierten. Besonders hervorzuheben ist auch die Continuo - Gruppe, welche dem
viel beschäftigten Evangelisten perfekt assistierte.
Fred Hoffmann ( Tenor )
bewältigte seinen überaus anspruchsvollen Part stimmschön und engagiert. Ihre
leider nur zwei Arien sang Christine Bechtel ( Sopran ) quasi seraphisch, mit
gewohnter Brillanz in den Koloraturen. Die bewährte Altistin Alexandra Gießler
gab ihren Beiträgen schönes, individuelles Profil.
Leider wusste der Sänger
des Jesus, Robert Hahn, diesmal nicht , wie gewohnt, zu überzeugen. Sowohl
stimmlich als auch in der Körpersprache blieb er dem " souveränen Herrscher " (
Brigitta G. Hermann ) so manche Fassette schuldig.
Elmar André hingegen,
Neuling im Solistenensemble, beeindruckte als dominanter Pilatus und Interpret
der so schwierigen Bassarien mit schöner Stimme und großer Musikalität.
Kann
es eine bessere Einstimmung auf die Karwoche geben als ein Konzert dieser Güte
?
Dietmar Vollmert