Printausgabe vom
12.04.2006
Reife Leistung in St. Vitus
Von Susanne Hecker
Kriftel.
Selten wurde der große Komponist Wolfgang Amadeus Mozart so sehr mit
Aufmerksamkeit bedacht wie in diesem, seinem 250. Geburtsjahr. Auch Andreas
Winckler, Kantor in St. Vitus in Kriftel, ließ es sich am vergangenen Samstag
nicht nehmen, zusammen mit dem Chor und dem Orchester des Caecilienvereins
Kriftel dem Komponisten auf seine ganz persönliche Weise die Ehre zu erweisen.
Die Vorzeichen standen gut, denn als der Chor um Punkt 19 Uhr durch den
Mittelgang der vollbesetzten Kirche zu seinen Plätzen hinter dem Altar schritt,
begleitete ihn das Abendgeläut. Ein passender Einstieg für Pfarrer Andreas
Unfried, der die Veranstaltung mit der schlichten Todesnachricht aus der Wiener
Zeitung vom Dezember 1791 eröffnete. Der Tod, so ließ er weiter wissen, sei für
Mozart weder ein Fremder noch ein Schreckgespenst gewesen. Im Gegenteil, schon
in frühen Jahren sei sich Mozart nicht nur seiner eigenen Sterblichkeit bewusst
gewesen. Er habe Gevatter Tod sogar als wahren und besten Freund bezeichnet.
Beruhigend und tröstend sei dieser letztendlich der Schlüssel zu wahrer
Glückseligkeit. Lauscht man der Vielfältigkeit und dem klanglichen
Farbenreichtum des Requiems, kann man sich dieser Betrachtungsweise nicht
entziehen.
Andreas Winckler hatte sich diese
Überzeugung zu Herzen genommen und bot Mozarts weltbekannte Totenmesse in
ungewöhnlich lebhaftem Tempo. Keines der Stücke verfiel in die der Trauer so
nahe stehenden Nachdenklichkeit, in die manchmal schmerzhafte Stille der
Gedanken. Allerdings nahm diese zuweilen ins Forsche gehende Interpretation dem
Requiem auch etwas von seiner immensen Tiefe und raumfüllenden Kraft.
Chor und Orchester des Caecilienvereins Kriftel überzeugten mit klarer
Diktion und sauberer Intonation. Obwohl die hoch angesetzten Tempi an manchen
Stellen das Zusammenspiel recht schwierig werden ließen, verloren die
Sängerinnen und Sänger niemals den Faden. Eine besondere Ohrenfreude waren die
Solisten dieses Abends. Allen voran Sopranistin Christine Bechtel. Ihre
strahlende Leichtigkeit und Expressivität setzten den Soloparts Glanzlichter
auf. Fred Hoffmann, Tenor, erinnerte vom Timbre her an einen typischen Papageno
aus der «Zauberflöte». Er stand für die Nähe des Todes zum Leben, zur
Jugendlichkeit und zur Lebenskraft. Robert Hahn, Bass, und Alexandra Gießler,
Alt, fügten sich hervorragend in das Solistenquartett ein und bereicherten den
Klang mit ganz eigener Persönlichkeit. Im Ganzen gesehen war die Aufführung des
Requiems von allen Beteiligten eine mehr als reife Leistung. Das muss wohl auch
«jemand anderes» gemeint haben. Denn der letzte Akkord des Werkes verklang
wiederum im Geläut der Kirche. Winckler senkte die Arme erst, als auch der
letzte Glockenklang verhallt war. Das Konzert endete, wie es begonnen hatte:
fast prophetisch.