Printausgabe vom 11.10.2005
Mendelssohns "Elias" in St. Vitus gefeiert

Von Lutz Riehl
Kriftel. Dass sich die Konzerte der Kirchenmusikvereinigung «Vitus und Caecilia» großer Beliebtheit erfreuen, zeigte allein schon die große Besucherzahl, die sich am Samstag in St. Vitus einfand, es gab kaum noch freie Plätze. Mit der Aufführung des Oratoriums «Elias» von Felix Mendelssohn-Bartholdy stand eines der wichtigsten Werke dieser Gattung überhaupt auf dem Programm.

Zwar konnten Chor und Orchester des Caecilienvereins Kriftel unter der Leitung von Andreas Winckler in der Vergangenheit mit Aufführungen von Haydns «Schöpfung», Bachs «Weihnachtsoratorium» und dem «Deutschen Requiem» von Brahms wichtige Erfahrungen sammeln, aber mit der Aufführung des «Elias» wurde die Messlatte noch höher gelegt. Dieses letzte, große Werk Mendelssohns, das Episoden aus dem Leben des alttestamentlichen Propheten darstellt, steht ganz in der englischen Tradition des Oratoriums, die durch Händel im 18. Jahrhundert geprägt wurde. Im Besonderen zeigt sich das an der stilistischen Vielfalt der Chorpassagen; Elemente von Fuge, Kanon und Choral werden kunstvoll miteinander verbunden. Ebenso umfangreich gestaltet sich aber auch die Bandbreite des musikalischen Ausdrucks, die von der größten Ruhe bis hin zur opernhaften Dramatik verläuft.

Schnell sollte sich zeigen, dass Sänger wie Musiker den ungeheuren Herausforderungen dieses Werkes nicht nur gewachsen waren, sondern sie auch in beachtenswerter Weise meisterten. Schon bei der Klage des Volkes über die Dürre zu Beginn des Oratoriums wusste das Ensemble zu überzeugen. Das emotional aufgeladene Volk Israel wurde anschaulich durch den Chor verkörpert. Aber auch die lyrischen Passagen im 9. Satz («Wohl dem, der den Herren fürchtet») oder auch der jubelnde Chor am Schluss des ersten Teiles («Dank sei dir Gott») konnten sich hören lassen. Am eindrucksvollsten geriet jedoch, der chorischen Darstellung des vorüber ziehenden Gottes, der Elias erst im Säuseln des Windes offenbar wird, der fanatische Gesang der Baalspriester. Die gut herausgearbeitete Dramatik dieser Passagen ließ über die eine oder andere Unebenheit im Zusammenspiel von Sängern und Musikern und kleinere Intonationstrübungen gerne hinwegsehen.

Ergänzt wurde das Ensemble von St. Vitus durch die Solisten Christiane Bechtel (Sopran), Alexandra Gießler (Alt), Fred Hoffmann (Tenor) und Dietrich Volle (Bass). Für das berühmteste Stück dieses Oratoriums, der achtstimmige Satz «Denn er hat seinen Engeln befohlen» holte Winckler vier weitere Solisten dazu, um diesen Abschnitt in der vom Komponisten vorgeschriebenen Fassung für Doppel-Quartett statt für Doppelchor aufführen zu können. Leider war hierbei die Unausgeglichenheit in der Intonation ein kleiner Wermutstropfen. Die Darbietung der anderen Ensembles, der Rezitative und Arien, ließen jedoch keine Wünsche offen, sehr stimmungsvoll geriet das Quartett «Wirf dein Anliegen auf den Herrn». Christiane Bechtel bewies ein feines Gespür für die hohen, lyrischen Passagen, und Alexandra Gießler konnte ihr warmes Timbre vor allem in den ruhigeren Passagen gut zur Geltung bringen. Auch Fred Hoffmann konnte mit seiner Klarheit und deutlichen Linienführung überzeugen. Unübertroffen war allerdings Dietrich Volle als Elias, eine Partie, die er schon des Öfteren sang. Seine Darstellung des Elias bei dessen Kommentierung der erfolglosen Anrufung Baals gehörte zu den Höhepunkten der Aufführung.

Die Zuhörer in St. Vitus zeigten sich von dieser Aufführung, die durch die Mendelssohn-Gesellschaft Main-Taunus unterstützt wurde, begeistert – für alle gab es Standing Ovations.