Mittwoch, 8. September 2004

Wunderbare Momente besinnlicher Einkehr
von Jürgen Dehl

Kriftel.  Stille wird nur kenntlich durch Nichtstille. Wenn diese Nichtstille mit wundervollen Gesängen gestaltet wird, entstehende wunderbare Momente selbstbesinnender Einkehr. Andreas Winckler lud mit der Frauen- und der Männerschola zum Nachtkonzert in die Pfarrkirche St. Vitus. Mittlerweile sind die Konzerte zur ungewöhnlichen Stunde offenbar fester Bestand vieler Krifteler Terminkalender. Denn gut 160 Zuhörer strömten in die Kirche, um sich der meditativen Stimmung hinzugeben.

Ausgewählt hatte man hauptsächlich die schwebenden Gesänge der Heiligen Hildegard von Bingen, die geistliches Licht besingen. Dabei wurde die Musik, wie schon bei den früheren Nachkonzerten, mit einer sanften Lichtinstallation untermalt. Es genügen wenige Mittel, um ein bestimmtes Gefühl und eine bestimmte Atmosphäre zu zaubern. Da reicht es beispielsweise schon, wenn die Heilige Hildegard den Apostel der Deutschen, Bonifatius, als Lichtträger besingen lässt und in der Kirche die entsprechende Statue angestrahlt wird.

Wie Musik und eine solche Installation aufgenommen und verstanden wird, ist auch eine Sache der Worte. Pfarrer Andreas Unfried las zwischen den

einzelnen musikalischen Darbietungen kleine, meditativ gestimmte Texte. Zwei Mal schwiegen zudem die menschlichen Stimmen und Andreas Winckler spielte Orgelmeditationen.

Was ein Konzert schön macht, ist natürlich der Zuspruch – das ist in mehrfacher Hinsicht zu verstehen – der Besucher. Was ein Konzert aber noch schöner macht ist, wenn die Ausführenden sich über das Publikum freuen und mit der eigenen Leistung so richtig fein einverstanden sein können. Die Damen und Herren der Scholen hatten diesen freudvollen Moment.

Die Gesänge der Heiligen Hildegard verlangen ziemlichen Einsatz. Sie ging in ihren Melodien von der Gregorianik aus, aber sie hatte dabei ihre ganz eigene Wahrnehmung und ihren ganz eigenen Ausdruck. Das fordert einiges von den Vokalisten, die Forderungen wurden erfüllt und somit ausgiebige Probenarbeit belohnt. Immerhin fordert die vielseitige Wunderfrau Hildegard für ihre Kompositionen einen Stimmumfang von zweieinhalb Oktaven. Wenn hier Wunderfrau steht, dann sollte das nicht mit irgendwelcher Esoterik vermengt werden. Heutzutage ist die Heilige manchmal gar nicht mehr als Christin erkennbar. Doch in der Pfarrkirche St. Vitus blieb man, bei allem Meditativen, auf dem Teppich – um es ein bisschen deftig zu sagen.