Dienstag, 22. Oktober 2002

Haydn's Schöpfung makellos aufgeführt
   Von Jürgen Dehl

Kriftel.      Was einem Kirchenchor alles gelingen kann, wenn er einen guten Chorleiter hat, war in St. Vitus zu hören. Dort gelang dem Caecilienverein nun unter Dirigat von Andreas Winckler eine wirklich gute Aufführung von Haydns Oratorium «Die Schöpfung». Das ist nicht immer so, leider gibt es auch einige Negativbeispiele. Da verließen sich Musiker auf die enorme Stärke der Musik Haydns und glaubten offenbar, ein lauer Einsatz würde reichen. Hingegen haben sich Andreas Winckler und der Caecilienverein dem Werk wirklich angenommen. Sie steckten eine Menge Arbeit hinein und die war auf das angenehmste hörbar.

Der Chorklang, selbst im Forte, nicht forciert. Pianostellen wischten nicht hauchig davon. Wenn die Erinnerung nicht trügt, dann hat der Caecilienverein in jüngerer Zeit abermals einen Schritt nach vorne getan. Auch vom Orchester des Caecilienvereins kann das behauptet werden. Genau kamen die Einsätze, der Klang ist geschlossen.

Vielleicht könnte hier und da die Sache noch etwas transparenter, durchhörbarer, sein. Aber bei den gehörten Leistungen ist das wohl eine eher minimalistische Geschichte, die sich bei späteren Konzerten sicherlich einstellt. Andreas Winckler ist ein angenehmer Dirigent, der seine Künste nicht - auch das scheint es zu geben - in einem Ruderverein trainiert. Knapp und sehr eindeutig teilt er seinen Musikern mit, was mitzuteilen ist. Das Solisten-Terzett

 

 wartete mit nicht minder ausgewogenen Leistungen auf. Weil der Begriff «canto fiorito» unübersetzbar schön ist, sei er hier genutzt. Denn er bezeichnet treffend die Gesangskünste der Sopranistin Christine Bechtel. Die ausgezierten Passagen sind ihre Sache. Zudem ist die Stimme «nach oben offen», wie es in «Mit Staunen sieht das Wunderwerk» zu hören war. Mühelos kletterte die Stimme zum gefürchteten Hohen C. Schmeichelnd sanft ließ sie «das zarte Taubenpaar» (Arie 16) zur Soloflöte gurren. Dietrich Volle (Bass) ist einfach in guter Form gewesen. Wunderbar klingt seine sonore Stimme vor allem in ausladenden Momenten wie etwa «Und Gott schuf große Walfische» (Rezitativ 17) oder «Holde Gattin, die zur Seite» (Duett 30). «Nun schwanden vor dem heiligen Strahle des schwarzen Dunkels gräuliche Schatten», beginnt die Tenorarie, nach dem Chor und Orchester das «Licht» beschworen. Fred Hofmann (Tenor) sang das mehr als glaubhaft. Vor allem (bei einem Tenor achten die Leute leicht töricht nur auf die Höhe) ist seine Stimme auch in der Mittellage und tiefen Lage noch von großer Strahlkraft. Haydn lässt die «gräulichen Schatten» auch musikalisch in die Tiefe wandern und bei manchen Tenören ist dann kein Höllenflackern zu hören, sondern nur noch heiße Luft. Nach all dem Lob eine Kleinigkeit, die den Rezensenten etwas amüsierte. Der Schlussteil des Oratoriums ist Adam und Eva gewidmet. Das wurde hier dezent szenisch dargestellt. Eva (Christine Bechtel) harrte vor dem Podium aus, mädchenhaft ihren Adam (Dietrich Volle) anschauend. Er reicht ihr die Hand und geleitet sie neben sich.