Eine wundervolle Gregorianik-Nacht
![]() Kriftel.
Das war kein Konzert und auch nicht das, was für
gewöhnlich unter Gottesdienst verstanden wird. Nennen wir es
Menschendienst. Denn in der Pfarrkirche St. Vitus wurde mit einigen
gekonnt eingesetzten Mitteln versucht, übers gängige Wahrnehmen in das
Innerste der Besucher zu dringen, um dort einen Geschmack von Ruhe und
Frieden zu geben. Dabei wurden gekonnt theatralische Mittel eingesetzt.
Der musikalische Hausherr Andreas Winckler nannte die Veranstaltung
«Gregorianik - Nachtkonzert» und gab ihr den Untertitel «Mystik des
Mittelalters in Texten und Chorälen mit Schola, Saxofon und Orgel».
Pfarrer Andreas Unfried las Texte von Bernhard von Clairvaux, Johannes vom
Kreuz und anderen. Das mit einem erfreulich unpastoralen Ton, was den Wörtern
einen sehr heutigen Anstrich gab. Die bestechende Musikauswahl unterstrich
die Wörter und auch jene Elemente, in denen Theater und Liturgisches
zusammentrafen.
So verlöschte, es war etwa im zweiten Drittel der
Veranstaltung, die Beleuchtung im Kirchenschiff. Der Altarraum wurde rot
angestrahlt und Trockeneisnebel legte sich, gleich einem mystischen
Schleier, zwischen Besucher und Apsis. Stille herrschte für einige
Minuten. Dann, mit gemächlichem Schritt, kamen aus dem Hintergrund der
Priester und Messdiener. Mit Weihrauch wurde geräuchert. Unfried sprach
vom getrockneten Harz, das Wundverschluss eines verwundeten Baumes ist.
|
Nun aber erquicke sein Wohlgeruch. So könnte auch der Mensch aus den
Narben früher Verwundungen neuen Sinn gewinnen. Die Frauenschola
intonierte den Gregorianischen Choral «Sacerdotes Domini incensum. . .
(Die Priester des Herrn bringen Weihrauch und Brot Gott dar. . .).» Die
Lichtfarben im Altarraum wandeln sich in ein gelbes Orange. Im
Deckenbereich bleibt das tiefe Rot. Allmählich verziehen sich auch die
Nebelschwaden. Unfried spricht in die Stille, dass dieses Leben nicht
gottverlassen sei. Die Menschen des Mittelalters seien ihm vielleicht näher
gewesen als wir in unseren unruhvollen Zeiten. Nach den Worten erklingt «Litanies
für Orgel von Jehan Alain. Mit Fanfarenklängen beginnt das Stück. Eine
Art Toccata folgt, swingend, jazzig, und alles mündet in wilde Akkordschläge.
Dann singt die Männerschola: «Factus est repente. . . (Es erhob sich plötzlich
vom Himmel her das Brausen eines nahenden gewaltigen Sturmes. . .).»
Geistlicher Gehalt vermittelt sich über Kunst und je besser Interpreten
sind, desto mehr bleibt von diesem Gehalt. Deshalb muss hier ein Bravo für
die Musiker folgen. Allen voran Andreas Winckler - Gründer der Schola,
deren Leiter und Organist - und der Organist Helmut Vogt. Ein
musikalischer Höhepunkt dürfte «Communio» im Arrangement von Thomas
Gabriel - für Saxofon, Orgel und Chor - gewesen sein.
Es gibt großen Bedarf für solche Veranstaltungen. St. Vitus war bei diesem
Nachtkonzert außergewöhnlich gut besucht!
|
.. der Altarraum wurde rot angestrahlt und Trockeneisnebel legte sich, gleich einem mystischen Schleier, zwischen Besucher und Apsis ..