Von Jürgen Dehl
Kriftel.
Wie Fliegen auf Honig, müssten sich Musiker auf das Werk von Jan Dismas Zelenka (1679 - 1745) stürzen.
Denn, so wäre das in früheren Zeiten gesagt worden, er ist ein Mann von Genie. In sehr geglückter Weise machten das Andreas Winckler
und sein erprobtes Ensemble in der Pfarrkirche St. Vitus deutlich.
Nennen wir zunächst die Namen der Vokalisten und greifen dann einen jungen Sänger heraus.
Der Kompositionen wegen leider nicht mit Solistischem betraut, die Sopranistin Christine Bechtel. Souverän wie immer Alexandra Gießler (Alt),
und das bei enorm fordernden Partien. Nur im Ensemble-Satz hörbar der Tenor Rudolf Schmitz. Michael Zahn (Bass) ebenfalls im Mini-Chor
und als Solist hörbar. Und damit sind wir bei dem Sänger, den wir herausgreifen möchten. Der junge Bassist hat eine berückende Stimme.
Eine Stimme die durch vorzügliche Technik in allen Lagen gleichmäßig gefärbt ist. Sein kontrollierter Atem macht es möglich,
dass Koloraturen völlig »nahtlos« und mühelos klingen. Auch ein sehr schönes Mezzopiano ist ihm eigen, das hier leider nur selten eingesetzt wurde.
Ohne Wenn und Aber: Es ist eine Freude dieser Stimme zu lauschen.
Musikfreunde werden beim Nennen der Sänger vermuten,
dass die gebotenen Kompositionen sehr eigenwillig von Zelenka besetzt wurden. Dem ist so.
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Andreas Winckler bot eine Zusammenstellung
von Lamentationen und Responsorien. Die Lamentationen sind Solostücke (fast Miniatur-Kantaten) für Alt oder für Bass.
Die Responsorien sind für vier Gesangsstimmen gesetzt. In den Lamentationen gibt es bezaubernde
Instrumental-Abschnitte. Beispielsweise bei »Aleph: Quomodo obscuratum«, wo die Oboe - grundiert von der Violine - eine wunderschöne
Introduktion musiziert. Die Responsorien hingegen setzen einzig auf den Schmelz der menschlichen Stimme und begnügen sich mit dem Generalbass.
Auffällig ist, dass die Lamentationen mit hebräischen Buchstaben nummeriert sind (die Buchstaben haben auch Zahlenwerte) und diese mit endlosen
Koloraturen ausgeschmückt sind. Eine weitere Überraschung bietet Zelenka in dem Responsorium »Velum templi scissum est".
Andere Komponisten setzen an solchen Stellen üblicherweise ein »Terramodo« (Erdbeben).
Bei Zelenka sind die vier Sänger eher am Staunen und besingen eigene Verwunderung. Das Orchester des Caecilienvereins Kriftel
spielte mit großer Konzentration und manchmal gar mit italienischem Schmelz. Souverän stand Andreas Winckler dem Ensemble vor.
Sehr langer Schlussapplaus.
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