Jauchzet, frohlocket!
(KN) Kriftel am 4. Advent, einen Tag vor Heiligabend: Ein Wintermärchen -
überall Schnee, festlich geschmückte Straßen. Aus allen
Himmelsrichtungen strömen die Menschen zur Kirche St. Vitus, wo sie sich
auf das bevorstehende Weihnachtsfest einstimmen wollen, mit Hilfe der
Musik, die Bach vor mehr als 250 Jahren zu diesem Anlass komponiert hat.
»Vitus & Caecilia« haben keine Mühen gescheut, das
Weihnachtsoratorium (Kantaten I - III), dessen frohe Botschaft, in die
Herzen der großen Zuhörerschaft zu pflanzen. Das ist dem hohen Paar
gelungen. Für die Dauer von immerhin nahezu 2 Stunden, hoffentlich sogar
darüber hinaus, wichen Beklemmung, Bedrücktheit und Furcht aus den
Herzen der Menschen, die von den Geschehnissen um den 11. September
geprägt sind und vielleicht deshalb umso dankbarer für das Gehörte
waren. Kein Geringerer als Bach selber hat die Ambivalenz des menschlichen
Lebens zwischen Kümmernis und Hoffnung musikalisch umgesetzt in jener
Choralmelodie, die er sowohl in der Matthäus-Passion (»O Haupt voll Blut
und Wunden«) als auch hier verwendet (»Wie soll ich Dich empfangen?«)
Mit hör- und sichtbarem Engagement widmeten sich alle Mitwirkenden der Interpretation dieses großen Werkes, wobei allerdings nicht zu überhören war, dass es dem Orchesterklang hier und da (Sinfonia!) an der notwendigen Homogenität fehlte, was anderseits bei einem ad hoc zusammengestellten Instrumentalensemble nicht zu verwundert braucht. Dass sicherlich jedes der Mitglieder anderseits solistisch ausgezeichnet zu musizieren versteht, wurde im Verlauf des Konzerts wiederholt unter Beweis gestellt, z.B. durch den Flötisten Sven Müller-Laupert, der dem Solotenor bei dessen halsbrecherischen Koloraturen seiner Arie assistierte. Tenor Fred Hofmann, am Staatstheater Darmstadt engagiert, meisterte nicht nur souverän die vertrackten Läufe seiner oben erwähnten Arie, sondern überzeugte auch als eindringlich singender Evangelist. Nicht weniger als drei Arien wusste die Altistin Alexandra Gießler mit gewohnter Sicherheit, Ausstrahlung und differenziertem sängerischen Einsatz zu interpretieren. An stimmlicher Opulenz und Präsenz stand ihr der Bassist Dietrich Volle nicht nach. Manche rhythmische Eigenwilligkeit machte er mit seiner auch sichtbar emotionellen Beteiligung mehr als wett. Die Sopranistin Christine Bechtel konnte diesmal ihre hinlänglich bekannten sängerischen Qualitäten mangels Gelegenheit kaum einbringen: Von einer kurzen Sequenz als Engelstimme abgesehen, mutet ihr der Komponist nur die Beteiligung an einem eminent schwierigen Duett zu, das sie ohne Fehl und Tadel meisterte. Und der Chor? Durch einige Gaststimmen sinnvoll ergänzt, wuchs der Caecilienverein über sich hinaus, was unweigerlich zu der Frage führt, wo denn eigentlich seine »Kapitulationsgrenze« liegen könnte? Für Oktober 2002 ist Haydns »Schöpfung« geplant. So schwer der Chorpart auch ist - diese Formation wird ihm mit gewohntem Engagement bewältigen ... Mit optimalem »Timing« den Chor »auf den Punkt« vorbereitet zu haben - dieses Verdienst gebührt dem langjährigen Maestro Andreas Winckler, der offenbar ein Glücksfall für den Caecilienverein ist. Hochkonzentriert und umsichtig hielt er mit sympathisch knapper Gestik alle Mitwirkenden zusammen. Vitus & Caecilia haben sich - wieder einmal - um das kulturelle Leben in Kriftel verdient gemacht. Dietmar Vollmert |
Eine starke und überzeugende Leistung boten der Caecilienchor und Solisten bei der Aufführung des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach in der St. Vitus-Kirche.