Von Jürgen Dehl
Kriftel.
Die alten italienischen Gesangsmeister
wussten wie ein guter, runder Ton zu Stande kommt. Er muss "sul fiato,
nella maschera (auf dem Atem, in der Maske)" sein, sagten sie ihren
Schülern. Unter "Maske" ist der Nasen-Rachenraum als Resonanzkörper
zu verstehen. Bis der Ton automatisch hier "sitzt" und
"schwingt", braucht es viel konzentriertes Üben. Offenkundig
geschah das beim Katholischen Kirchenchor Cäcilienverein. Erfrischend
präsent und rund klang der Chor bei seinem jüngsten Konzert in der
Pfarrkirche St. Vitus. Hier und da gab es winzige Unstimmigkeiten bei Koloraturen oder
beim Einsatz, die in Anbetracht der gewählten Literatur äußerst verständlich
sind. Mancher Einsatz ist schon richtig gemein. So arg viel hat der Chor
in Telemanns Psalm 111 und in in Bachs Magnificat (BWV243) nicht zu
singen, aber wenn er gefordert wird, ist er wirklich gefordert. Die beiden
Komponisten ersparen ihren Choristinnen und Choristen wirklich kaum etwas.
"Herhalten" müssen
auch die Instrumentalisten im Orchester, es nannte sich "Orchester
des Cäcilienvereins" und es waren einige vertraute Gesichter darin
zu sehen.
Vor allem die Bläser haben - etwa die Trompete - heftige Aufgaben
zu bewältigen um den Werken Feinschliff in Sachen Glanz zu geben.
Unter den Solisten ragte Alexandra
Gießler (Alt) heraus, die ihre sanften Töne wunderbar ausgleicht. Bruch-
und nahtlos wandert ihre Stimme durch die unterschiedlichen Register, die
nun einmal der menschlichen Stimme eignen sind. Christine Bechtel (Sopran)
fand sehr innige Töne, die auch in virtuosen Koloraturen nicht abhanden
kamen. Michael Zahns sonorer Bass scheint ebenfalls kaum Grenzen und
Beschneidungen zu kennen.
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Möglicherweise war Jan Schülke (Tenor) etwas
indisponiert. Gehaltene Töne gelangen ihm trefflich, während er bei kürzeren
Notenwerten die Töne wieder und wieder anzudrücken schien. Im ,,Suscepit
Israel" (Bachs Magnificat) komplettierte Alexandra Gießler (Alt) und Christine Bechtel (Sopran)
zum Terzett.
Bekanntlich waren Johann
Sebastian Bach und Georg Philipp Telemann Zeitgenossen, sind vermutlich
sogar befreundet gewesen. Zu Lebzeiten erfreute sich Telemann eindeutig
der größeren Berühmtheit und Beliebtheit. Warum das so gewesen ist
wurde in St. Vitus deutlich. Telemanns Musik ist etwas schlichter als
jene Bachs und somit eingängiger. Sie macht zwar auch heute noch etwas
daher; doch als das Bachsche Magnificat begann, wurde deutlich warum
der Thomaskantor in unserer Zeit den Vorzug genießt. Schon die
Introduktion ist voll des überschwänglichsten Jubels. Ein Instrument
scheint das andere übertreffen zu wollen. Die Instrumentalisten des
Orchesters waren diesen Anforderungen gut gewachsen. Sie strahlten
sogar eine gewisse Souveränität aus. Durch den dichten Orchestersatz
Bachs schien es, als würden urplötzlich wesentlich mehr Musiker im
Altarraum musizieren.
Andreas Wincklers Dirigat
zeichnete sich durch große, mätzchenfreie Genauigkeit aus. Ohne
Feldherren-Getue leitete er seine Sängerinnen, Sänger und Musiker durch
die nicht einfachen Partituren. Außerdem muss man ihm für die spannende
Gegenüberstellung dieser beiden Komponisten dankbar sein.
Die Hörer in der
ausverkauften Pfarrkirche jubelten und durften dafür den Schlusschor von
Bachs "Magnificat" noch einmal hören.
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