Haydn und die Gänsehaut
(KN) »Papa« Haydn. Gönnerhaft verlieh das 19.
Jahrhundert dem ach so naiven, gutmütigen Komponisten diesen
»Ehrentitel«, während es gleichzeitig Beethoven zum Titanen machte.
»Man kann nichts Neues mehr von ihm erfahren; er ist wie ein gewohnter
Hausfreund, der immer gern und achtungsvoll empfangen wird; tieferes
Interesse aber hat er für die Jetzt-Zeit nicht mehr.« Kein Geringerer
als Robert Schumann schrieb diesen Satz vor 150 Jahren. Wie Unrecht er
doch hat! Immerhin nahm Rossini damals Haydn vor dem Vorwurf in Schutz,
sein Ernst sei zu fröhlich: »Jawohl - seine Fröhlichkeit war sein
Ernst! « Höchste Zeit, den Rang des großen Komponisten auch heute immer wieder aufzuzeigen, was »Vitus & Caecilia« am letzten Sonntag eindrucksvoll gelungen ist. Mit dem Oratorium »Die sieben letzten Worte unseres. Erlösers am Kreuze« gelang es dem »gewohnten Hausfreund«, bei Ausführenden und den zahlreich erschienen Zuhörer(innen) die sprichwörtliche »Gänsehaut« zu erzeugen. Wenn er auch nicht Sinfonie und Streichquartett »erfunden« hat, was ihm das bürgerliche Zeitalter fälschlicherweise unterstellte, so doch das Denken in Tönen. Dass Haydns Musik jedoch jenseits der Freude am intellektuellen Nachvollzug auch noch ins Herz trifft, macht ihre Größe aus. In Kenntnis der Tatsache, dass Haydn, im Gegensatz zu seinem jungen Freund Mozart, primär instrumental und nicht vokal »dachte«, hatte der allzeit souveräne Dirigent Andreas Winckler mit hörbarer Sorgfalt ein opulent besetztes Orchester zusammengestellt, das sich |
seiner wichtigen Aufgabe brillant entledigte.
Erstaunlich, wie homogen das Ganze klang (bei nur einer Tutti-Probe!),
zuweilen gekrönt von schönen Bläsersoli und einem Geigensolo des
Konzertmeisters. Auf dieser soliden instrumentalen Basis konnten sich
Chor und Vokalsolisten optimal entfalten. |