Von Jürgen Dehl
Kriftel.
Ein Werk seltener Exklusivität
erklang in der Pfarrkirche St. Vitus: das Oratorium »Die sieben letzten
Worte unseres Erlösers am Kreuze« von Josef Haydn.
Möglicherweise
ist das im Kreis sogar eine Erstaufführung gewesen. Die
Instrumentalfassungen - erst vor wenigen Tagen wurde in Schwalbach die
Orchesterfassung gegeben - sind vertrauter als diese Fassung für
Solisten, Chor und Orchester. Bedauerlich ist diese Missachtung, wie
Andreas Winckler mit seinem Ensemble deutlich machte.
Irritierend ist das Werden des Werkes.
Es entstand im Auftrag eines priesterlichen Marqué für die südspanische Bischofsstadt Cadiz.
Am Karfreitag wurden
die »Sieben Worte« vom Geistlichen verlesen, der dann betrachtende Worte
anschloss. Hernach begab sich der Priester zum Altar und verharrte in
Anbetung des Kreuzes. Für diese Momente war Haydns Musik bestimmt.
Vermutlich erklangen sie am Karfreitag 1787 zum ersten Mal. Josef Haydn
schrieb sieben Sonaten, denen er eine Introduzione voranstellte und ein
Erbeben, »II Terremoto", folgen ließ.
Der Passauer Domkapellmeister Josef Friebert bearbeitete das Orchesterwerk
und unterlegte Texte verschiedener Autoren. Haydn lernte diese Arbeit kennen und fühlte sich zu einer eigenen
Vokalfassung inspiriert, die er vermutlich 1795/1796 schuf.
Die ernste und manchmal entrückte Grundstimmung der
Komposition macht sie
zu einem grandiosen Gebet. Nimmt man den Gattungsbegriff Oratorium sehr eng, so sind »Die
sieben letzten Worte« mehr Oratarium als andere Werke dieses
Genres. Denn häufig sind Oratorien so etwas wie geistliche Opern ohne
szenische Aktion.
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Die Oratorienfassung der »Sieben letzten Worte« beginnt mit der
knappen, bizarr springenden Introduktion der Instrumentalversion. Dann
singt der Chor »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie
tun.« Die tiefen Streicher setzen ein und die erste Sonate folgt. Das
Bibelzitat und der sich anschließende betrachtende Text verbinden sich
mit den Violinstimmen. Haydn variiert dieses Schema in vielfältiger
Weise. Die menschliche Stimme wird dabei chorisch und solistisch - Edda
Best (Sopran), Alexandra Gießler (Alt), Rudolf Schmitz (Tenor) und
Robert Hahn (Bass) - eingesetzt. Auf diese Weise entsteht ein wundersames
und wunderschönes, samtiges Gewebe in Grau- und Schwarztönen. Vielleicht
sollte man bei anderen Aufführungen jedoch den Schlußchor weglassen. Das »Erdbeben«
scheint instrumental von größerer Wirksamkeit. So war jedenfalls der
Eindruck des Schreibers.
Ein kleines Manko hatte die Aufführung: Sie war Bläser-lastig, die Geigen
konnten sich gegen diese geballte Ladung Blech- und Holzbläser nur
mit etwas Mühe durchsetzen. Der Caecilienverein zeigte sich dieser sehr
dankbaren Aufgabe gut vorbereitet und durchweg gut gewachsen. Vor allem
ist solcher Mut zum Risiko sehr lobenswert. Zumal der Zuspruch, trotz des
schönen Frühlingswetters, nicht zu wünschen übrig ließ. Eindickes
Kompliment aber vor allem an Andreas Winckler, der die rare Aufführung zu
verantworten hatte und dessen Leitung schlicht geglückt war.
Der Caecilienverein ist auch im Hochamt am Ostersonntag 9.30 Uhr zu hören.
Unter Andreas Winckler wird die Messe mit Mozarts Missa Brevis B-Dur, KV
275, ausgeschmückt.
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